DER TRAUM VOM NICHTFLIEGEN

Nichts ist mehr einfach. Nichts bleibt lange unbestritten, oder eindeutig in diesen Tagen. Alles steht in Frage, was wir Menschen jemals erreicht haben. 

Vor vier Tagen erklärte der ipcc Weltklimarat, dass sich die gesamte Menschheit von ihrem Ernährungskonzept verabschieden muß, sonst drohe uns der Untergang. Vor zwei Tagen erfuhren wir, dass in den Wäldern der Welt über die Hälfte der Tiere, die dort vor 30 Jahren noch lebten verschwunden sind. Es ist wahrscheinlich, dass die Taktung der Hiobsbotschaften in nächster Zeit noch zunehmen wird. 

Ambivalenzen jagen einander. Der Hauptbaustoff des Bootes mit dem sich Greta Thunberg nun über den Atlantik aufmacht ist Karbonhaltig und bei hohem Energieaufwand gefertigt worden. So manche Schüler*innen, die für Fridays for Future auf die Straße gehen, schlagen sich anschließend bei MC Donald den Magen voll und lassen sich von Montag bis Donnerstag in den SUV’s ihrer Eltern zur Schule kutschieren (heisst es). Wenn wir alle keine Mangos und kein Soja mehr essen würden, um Schwerölbetriebene Containerschiffe zu reduzieren, würden die armen Soja- und Mangobauern und Bäuerinnen in den armen südlichen Ländern noch ärmer werden.

Jetzt wird von vielen Medien, die von ganzseitigen Anzeigen für die SUV’s leben, mit denen die Eltern der FFF-Schüler*innen ihre inkonsequenten Bälger zur Schule hofieren, die dann von besagten Medien deswegen kritisiert werden, kritisiert, dass Greta Thunbergs Entscheidung mit dem Boot statt „ganz normal mit dem Flieger“ zur Klimakonferenz nach New York aufzubrechen, doch ein wenig übertrieben sei. 

Ist das noch verhältnismäßig?

  • Heißt das, dass wir jetzt wieder ins 18 Jahrhundert zurückkehren müssen?
  • Macht sie etwas derart Radikales nicht eher zum weltfremden Superstar?
  • Wie käme sie denn ohne so ein Hightech-Segelschnellbot in 14 Tagen über den Atlantik?
  • Währen nicht zwei Flugtickets für Sie und Papa verzeihlich gewesen, bei all dem was sie schon tolles für die Umwelt geleistet hat.

Ich kenne Greta Thunberg und ihren Papa nicht. Aber ich halte das was diese beiden sagen für nachvollziehbar und integer. Sie sagt, jede ihrer Handlungen die direkt, oder indirekt die Erderhitzung fördere, bereite ihr seelische Schmerzen. Insofern ist ihre Entscheidung als selbst ernannte und von sehr vielen anerkannte Vertreterin aktiven Klimaschutzes, zur großen Klimakonferenz mit einem Segelschiff zu fahren, in erster Linie konsequent. 

Ob sie nun von Klimaleugner*innen deswegen ausgelacht wird, oder weil sie ausnahmsweise mit dem Flugzeug geflogen währe verhöhnt, scheint sie da wenig zu interssieren. Zum Star wurde sie längst von uns gemacht mit allen Nebeneffekten, die so eine Beförderung mit sich bringt. Aus diesem Grund wird ohnehin alles was sie tut oder lässt von aller Welt in die mediale Pro- und Kontrasuppe gerührt. Greta Thunberg erklärt uns nicht was falsch und richtig ist, sie verweist entspannt auf die Wissenschaft. Und der Hinweis es nach tausenden von Jahren grenzenloser Selbstbezogenheit und Impulsivität mal mit dem Verstand zu versuchen, scheint mir nicht der abwegigste. 

Interessant, auch die Reflexe mit denen erneut auf die Entscheidungen dieses bemerkenswerten Mädchens reagiert wird. 

  • Ein bisschen Fliegen, noch dazu mit gutem Grund ist doch nicht so tragisch… 
  • Mann kann alles übertreiben…
  • Müssen wir jetzt alle wieder mit der Pferdekutsche in die Arbeit fahren…

Das was viele scheinbar um jeden Preis vermeiden wollen, ist die unausweichliche Komplexität, die wir Menschen doch selbst geschaffen haben. So gern wir es auch hätten, wir werden keine einfachen Antworten finden. Stattdessen ist alles was jeder Mensch tut oder lässt, ob Star, ob reich, ob westlicher Standard, oder armer Mangobauer, ob Populist*in, oder Aktivist*in, ob regierend oder konsumierend, immer auch zweierlei. Zum einen aus mehr oder weniger Verantwortung für den Planeten generiert, zum anderen ein Statement.

Solange ich in diesen Zeiten noch nach einfachen Antworten verlange, oder solche anzubieten habe, ist es kaum möglich den Prozess der Wandlung den wir jetzt beschreiten müssen, mitzugehen. Geschweige denn mitzugestalten. So ist es ein hoffnungsvolles Zeichen, wenn ein Mensch, ein Kind indes, unbeirrt von reflexiven Unkenrufen ihren eignen Antworten auf unser aller Fragen vertraut. Zumal diese meines Erachtens die zielführenden sind, wenn es darum geht die Katastrophe abzumildern die wir Menschen angerichtet haben. 

Was wir gezeigt bekommen ist; Da ist ein Mensch der alles in seiner Macht stehende tut um jede weitere Belastung des Planeten zu vermeiden. Er nimmt dafür alle notwendigen Strapazen in kauf. Geht dafür große Risiken ein. Gibt alles auf was er davor für wichtig hielt, für unverzichtbar. Stellt alles hintan um neue Wege zu finden zu Leben ohne alles zu zerstören. Statt Menschen, die dieser Suche ernsthaft folgen, zu maßregeln, zu bevormunden und auszulachen, sollten vermutlich die allermeisten von uns lieber mal ganz still sein.

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